Neue Grundsteuer: Höhere Belastung für große Grundstücke in der Bad Dürrheimer Kernstadt – Über Höhe des Hebesatzes wird diskutiert
In Bad Dürrheim sind sie besonders spürbar, weil hier die Bodenwerte in der Kernstadt im Vergleich zu denen in den sechs Ortsteilen zum Teil höher sind und es künftig aufgrund der veränderten Gesetzeslage nicht mehr darauf ankommt, wie hoch der Wert des Gebäudes ist, das auf dem Grundstück steht.
Fabian Goedecke, Leiter der Steuerstelle im Bad Dürrheimer Rathaus, weiß jetzt schon: „Die Grundsteuer für große Grundstücke in der Kernstadt wird deutlich steigen, während für Eigentümer von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern die Belastung sinkt“. Tendenziell günstiger kommen dagegen die Eigentümer von Gewerbegrundstücken weg. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Belastung sich im Einzelfall gegebenenfalls erhöht.
Wie der Leiter der Bad Dürrheimer Steuerstelle in einer Sitzung des Verwaltungsausschusses feststellte, müssen Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern in der Kernstadt, die auf großen Grundstücken stehen, in Extremfällen mit Mehrkosten von über 1.000 Euro pro Jahr rechnen, beispielsweise im Kurgebiet, etwa in der Sonnenstraße.
Wie Bürgermeister Jonathan Berggötz erläuterte, hängt dies damit zusammen, dass in der Kernstadt viele Grundstücke mit einem Bodenwert von um die 300 Euro pro Quadratmeter bewertet seien, in Hochemmingen dagegen um 120 und in den anderen fünf Ortsteilen von 55 oder 60. „Wer ein Einfamilienhaus besitzt, muss davon ausgehen, dass er künftig mehr zahlen muss - in der Kernstadt sogar teilweise das drei- oder vierfache des bisherigen Grundsteuerbetrags“, so der Bürgermeister.
Deshalb erwartet die Stadtverwaltung, dass die Versendung der neuen Grundsteuerbescheide zu einer beträchtlichen Anzahl von Reaktionen führen wird, wie beispielsweise Rückfragen oder Einsprüche. „Wir gehen davon aus, dass zahlreiche Haus- und Grundstückseigentümer aus der Kernstadt bei uns anrufen werden“, erklärte der Bürgermeister.
Deshalb soll nach dem geplanten Gemeinderatsbeschluss für die neue Grundsteuersatzung am 28. November, eine Informationsveranstaltung für die Bürger angeboten werden. „Wir wollen darüber informieren, warum es mit der Grundsteuerreform zu großen Verschiebungen kommt und wie die Diskussionen im Gemeinderat verlaufen sind.“, so der Bürgermeister.
Allein um die Einnahmen der Grundsteuer B in der bisherigen Gesamthöhe (3,1 Millionen Euro) zu erzielen, muss die Stadt Bad Dürrheim den Hebesatz von derzeit 500 auf 557 anheben – und wenn man noch einen kleinen Puffer für Ungenauigkeiten haben wollte, auf 565.
Nun hat Bürgermeister Jonathan Berggötz aber in Anbetracht der gewaltigen Investitionen, die für Bad Dürrheim in den nächsten zehn Jahren anstehen, eine weitergehende Erhöhung des Hebesatzes ins Spiel gebracht. Um die künftigen Aufgaben zu meistern, hält Jonathan Berggötz einen Hebesatz von 600 für absolut notwendig. Dies würde jährliche Mehreinnahmen von 241.000 Euro für die Stadtkasse bedeuten. „Viele Grundstückseigentümer, vor allem in den Ortsteilen, werden bei einer Erhöhung des Hebesatzes auf 600 immer noch weniger zahlen als bisher“, kündigte er an.Letztlich entscheidet der Gemeinderat über die Höhe des Hebesatzes und Berggötz bat die Fraktionen hierüber intensiv zu diskutieren.
Auch Bewohner, die kein eigenes Grundstück oder Haus haben, sind von der Grundsteuer betroffen, denn sie wird von den Vermietern in Form von Nebenkosten auf die Mieter umgelegt. Neben der Grundsteuer kann die Stadt auch die Hebesätze der Gewerbesteuer, der Fremdenverkehrsabgabe, der Vergnügungs- und Hundesteuer sowie der Zweitwohnungssteuer selbst bestimmen.
Allerdings muss die Stadt einen Teil der Gewerbesteuer wieder in Form einer Umlage an das Land abführen. Zudem machten Vertreter der Gemeinderatsfraktionen deutlich, dass im Moment eine Gewerbesteuererhöhung nicht angedacht ist. Dagegen hat die Stadt bereits vor wenigen Jahren die Zweitwohnungssteuer und die Vergnügungssteuer neu geregelt und erzielt hier deutlich mehr Einnahmen.
Die Bodenwerte, die bei der Grundsteuer in die Bewertung der einzelnen Grundstücke einfließen, wurden vom Gutachterausschuss festgelegt, der für Bad Dürrheim in Zusammenarbeit mit der Stadt Donaueschingen gebildet wurde.
Der Bodenrichtwert ist der durchschnittliche Lagewert innerhalb eines Gebietes mit ähnlicher Grundstücksnutzung, es ist also nicht der individueller Wert eines einzelnen Grundstücks. Gegen diesen vom Gutachterausschuss festgelegten Wert kann grundsätzlich weder Einspruch beim Finanzamt noch bei der Stadt eingelegt werden.
In Bad Dürrheim und seinen sechs Ortsteilen werden für die Grundsteuer B, die für Wohngebäude gilt, rund 7.000 Grundstücke neu bewertet und für die Grundsteuer A rund 800 landwirtschaftliche Grundstücke. Zuletzt wurden die Grundsteuerhebesätze in Bad Dürrheim im Zusammenhang mit der Sanierung des Minara 2016 und 2017 von 420 auf 500 erhöht.
Fabian Goedecke legte den Stadträten und sachkundigen Einwohnern im Verwaltungsausschuss einige Beispiele aus der Grundsteuerveranlagung vor. Für ein Einfamilienhaus, das auf einem 600 bis 700 Quadratmeter großen Grundstück steht, sind heute 395 Euro Grundsteuer pro Jahr fällig. Bei aufkommensneutralen Erträgen durch die Grundsteuer werden es ab dem kommenden Jahr 921 Euro sein, also 526 Euro mehr. Erhöht die Stadt nun den Hebesatz auf 600, würde die jährliche Belastung auf 978 Euro steigen.
Anderes Beispiel für ein ähnlich großes Grundstück mit einem Einfamilienhaus in einem Ortsteil: hier sind derzeit 650 Euro pro Jahr zu zahlen, ab dem nächsten Jahr wären es bei gleichem Ertrag durch die Grundsteuer B nur noch 254 Euro, also 396 Euro weniger. Würde die Stadt den Hebesatz auf 600 erhöhen, müssten die gleichen Eigentümer 270 Euro pro Jahr zahlen, also immer noch 380 Euro weniger als bisher.
Für eine Eigentumswohnung in der Kernstadt, für die heute jährlich 360 Euro Grundsteuer fällig werden, müssen aufgrund der gesetzlichen Änderung ab 1. Januar 2025 107 Euro pro Jahr bezahlt werden, also 253 Euro weniger. Würde die Stadt nun den Hebesatz auf 600 erhöhen, würde die Grundsteuer 114 Euro pro Jahr betragen, also immer noch 246 Euro weniger als bisher.
Sparen würden auch auf jeden Fall Wohnungseigentümer in den Ortsteilen: Für eine Wohnung, für die heute beispielsweise 205 Euro pro Jahr fällig sind, wären es bei Aufkommensneutralität nur noch 136 Euro.
Eine Gewerbefläche in der Kernstadt, für die im Moment jährlich 2.650 Euro Grundsteuer zu zahlen sind, würde durch die Umstellung ab dem kommenden Jahr mit 2.401 Euro belastet, wenn die Erträge durch den Hebesatz gleich bleiben. Würde der Hebesatz auf 600 steigen, zahlt der Eigentümer dann 2.550 Euro pro Jahr und damit immer noch weniger als bisher.
Stadtrat Wolfgang Kaiser (LBU) sagte, bei der Grundsteuer gehe es auch um Gerechtigkeit, der Gesetzgeber besteuere diejenigen höher, die mehr Fläche verbrauchen. Er machte darauf aufmerksam, dass die Kommunen neuerdings auch eine erhöhte Grundsteuer (Grundsteuer C) für baureife Grundstücke verlangen können, die noch nicht bebaut sind. Darüber solle man aber frühestens in den Haushaltsberatungen für 2026 sprechen, meinte Bürgermeister Berggötz. Die Grundstückseigentümer von unbebauten Grundstücken würden durch die Grundsteuerreform über die Grundsteuer B sowieso schon deutlich belastet werden, so Berggötz. Er hält es für sehr wahrscheinlich, dass aufgrunddessen einige Grundstückseigentümer über einen Verkauf nachdenken.
„Wir haben nicht viele Möglichkeiten, die Einnahmen der Stadt zu erhöhen“, so Stadtrat Wolfgang Kaiser, und: „Eine Gewerbesteuererhöhung scheidet für meine Begriffe aus, die Struktur des Gewerbes in Bad Dürrheim gibt das nicht her“. Der Gemeinderat müsse bei der Diskussion um die Grundsteuer die finanzielle Gesamtsituation im Blick haben sowie die geplanten Investitionen in den nächsten Jahren wie die Realschulerweiterung für den Umzug der Werkrealschule in den künftigen Schulverbund und den Finanzbedarf der Kur- und Bäder GmbH, die das Solemar sanieren will.
Kaiser verwies darauf, dass der Gemeinderat bereits Einsparungen im Infrastrukturbereich beschlossen hat wie den Verzicht auf die Sanierung von Gemeindeverbindungsstraßen oder den Aufschub bei der Sanierung der Bahnhofstraße.
Dr. Klaus Götz (Freie Wähler) wies darauf hin, dass die Grundsteuer alle Bewohner trifft und mahnte: „Wir müssen schauen, ob wir auch Aufwendungen senken können und freiwillige Leistungen der Stadt“.
Can Zileli (SPD) verwies ebenfalls über die anstehenden Investitionen und meinte: „Wir werden nicht die einzige Stadt in der Umgebung sein, die die Grundsteuer erhöht“.
Die Mitglieder des Verwaltungsausschusses haben festgelegt, dass in deren Sitzung am 12. November über eine Beschlussempfehlung an den Gemeinderat diskutiert und entschieden wird. Diese Sitzung findet wie gewohnt öffentlich statt und die Bürgerinnen und Bürger sind herzlich eingeladen, die Diskussionen mitzuverfolgen.
INFO: Die bisherige Grundsteuer ist ungerecht. Sie wird auf der Basis von Werten der Jahre 1935 oder 1964 berechnet. Das Bundesverfassungsgericht hat die alte Grundsteuer deshalb im Jahr 2018 verworfen. Der baden-württembergische Landtag hat dann im Jahr 2020 ein neues Landesgrundsteuergesetz verabschiedet, das ab 1. Januar 2025 umgesetzt wird. Deshalb wurde eine Art Inventur durchgeführt, Eigentümer mussten gegenüber dem Finanzamt Villingen-Schwenningen eine Erklärung abgeben und zum Beispiel angeben, ob das Grundstück überwiegend zum Wohnen genutzt wird oder nicht. Die erhielten dann einen Grundsteuer-Messbescheid, der auch für die Stadt Bad Dürrheim verbindlich ist. Die erste Vorauszahlung mit den neuen Sätzen ist am 15. Februar 2025 fällig.