Bad Dürrheimer Schüler machen sich Sorgen: wird es in ihrer Heimatstadt so heiß wie in Madrid?
Fliegen, Auto fahren, heizen, Beton herstellen – das alles schadet dem Klima und treibt die Erderwärmung an. Louis Palmer, der schon beim Neujahrsempfang der Stadt Bad Dürrheim die Menschen mit seinen Aussagen und Visionen begeistert hat, brachte vergangene Woche sein Solarfahrzeug nach Bad Dürrheim und lud dazu 370 Jugendliche der Klassenstufen sieben bis neun aus der Realschule und der Werkrealschule ein.
Im Haus des Bürgers begrüßte Bürgermeister Jonathan Berggötz den Solarpionier. Eine Stunde lang informierte Louis Palmer die Jugendlichen darüber, was uns allen droht, sollten die Temperaturen auf der Erde weiter steigen. Doch nicht nur das – er zeigte den jungen Leuten auch, dass sie Teil der Lösung dieses Problems werden können.
„Alles, was dazu beiträgt, den Temperaturanstieg zu stoppen, ist bereits erfunden, wir brauchen es nur anzuwenden“, erläuterte der Schweizer den wissbegierigen Jugendlichen und verwies zum Beispiel auf seinen Kapuzenpullover. „Er ist aus einem besonderen Material gemacht. Wenn ich ihn in das Meer werfen würde, zersetzt er sich selbst und würde von den Fischen gefressen werden“. Erfunden hat die Textilien ohne schädliche Chemikalien der Berner Manuel Schweizer.
Drastisch führte Louis Palmer den Schülern vor Augen, wie akut die Situation ist: „In Luzern und Bad Dürrheim hatten wir zwischen 1950 und 2000 eine Durchschnittstemperatur von 9,3 Grad. Schon jetzt ist es 1,5 Grad wärmer als früher, Bad Dürrheim hat also die Temperaturen von Lugano an der schweizerisch-italienischen Grenze. Wenn wir so weitermachen wie bisher, sind es 5,5 Grad mehr“.
Wie es dann in Bad Dürrheim aussieht, schilderte Louis Palmer anhand dieses Beispiels: „Wenn ihr dann Großeltern seid, liegt die Durchschnittstemperatur in Bad Dürrheim bei 14,5 Grad, das entspricht dem heutigen Klima von Madrid. Unsere Bäume können mit der Trockenheit und den Temperaturen von Madrid nichts anfangen, sie sterben ab. Das heißt: In 100 Jahren machen wir die Natur kaputt“.
Diese Aussichten schockierten viele der jungen Zuhörer, doch Louis Palmer machte ihnen Mut und zeigte eine ganze Reihe von Verhaltensweisen und Projekten auf, mit denen der Temperaturanstieg gestoppt werden kann.
So rief er die Jugendlichen auf, auf Flugreisen zu verzichten oder sie zumindest zu dosieren. Wenn man den Pro-Kopf-Ausstoß von Kohlendioxid von 14 auf 2,7 Tonnen pro Jahr begrenzen wolle, könne man sich eben nicht jedes Jahr einen Flug nach Dubai (1,6 Tonnen) leisten.
Anstatt zu googeln, empfahl er den Schülern, die Suchmaschine Ecosia zu benutzen,. Mit den Werbeeinnahmen werden Bäume in 35 Ländern der Erde gepflanzt. Etwa 30 Suchanfragen sind notwendig, um einen Baum zu finanzieren. Wie Bürgermeister Jonathan Berggötz ergänzte, ist Ecosia mittlerweile die Standard-Suchmaschine bei der Stadtverwaltung Bad Dürrheim.
Der Schweizer Umweltaktivist stellte den Schülern weitere Projekte vor: Anstatt aus Beton könnten die Wände von Neubauten aus Stroh gebaut werden, Rad-Schnellstraßen, um die Menschen vom Auto auf das Fahrrad zu locken oder ein Algenzusatz, der die Verdauung der Rinder und Kühe so beeinflusst, dass sie weniger Methan ausstoßen.
Mit seinem Solar-Butterfly reist das Team von Palmer durch Europa und die Welt, um neue innovative Klimaschutzprojekte zu entdecken und für den Klimaschutz zu werben. Nächste Woche startet das größte Solar-Fahrzeug der Welt wieder in Richtung Indien, Bad Dürrheim war die letzte (und einzige deutsche) von 51 Stationen auf einer Zwischenpause.
Immerhin ist Louis Palmer der erste Mensch gewesen, der mit Solarenergie um die ganze Erde fuhr. Von dieser Reise berichtete Louis Palmer mit Bildern und Filmen den 370 Schülerinnen und Schülern im Siedersaal. „Ich wollte immer schon mal die Welt mit dem Auto umfahren“, erzählte er. Doch als sein Lehrer ihm sagte: „Wer mit einem Verbrennermotor fährt, ist Teil eines Problems“, kam er ins Nachdenken.
Im Siedersaal berichtete er, wie er gegen den Rat seiner Freunde Geld und Fahrzeugteile für ein Solarauto sammelte, es baute und dann 2007 und 2008 mit seinem Solartaxi durch 40 Länder tourte. Der Strom für das Solartaxi kam von einem Anhänger mit Solarzellen, den er immer mit dabei hatte.
„Never give up, ask for help, be creative“ (Gib nie auf, bitte andere um Hilfe, sei kreativ), legte er den Jugendlichen ans Herz. „Wir brauchen doch keine Benzinautos mehr“, dachte er schon vor 17 Jahren – damals gab es noch kein Tesla und auch bei VW dachte man noch nicht daran, Elektroautos zu produzieren.
Schon auf dieser Reise wunderte sich Palmer, dass in China nur noch Elektromotorräder zugelassen wurden und jede chinesische Stadt eine Solarzellenfabrik hatte: „Die Chinesen haben das Thema ernst genommen“. Deshalb wollte er von den Schülern wissen, wer in einem Haus mit Photovoltaikanlage lebt: immerhin ein Drittel der Jugendlichen streckte.
Mit seinen Visionen nahm Louis Palmer den meisten Schülern die Angst vor einem unkontrollierten Klimawandel: „Ich bin sicher, die Menschen sind kreativ. Aber es bleiben uns nur noch zwölf Jahre, um die Abgase um 80 Prozent zu senken und die Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen“.
Die Jugendlichen staunten über den Solar-Butterfly, der jetzt auf Welt-Tour ist und im Hindenburgpark ausgestellt war. Vorne ein Tesla-PKW, der einen aus PET-Abfall hergestellten zehn Meter langen Wohnwagen zieht. Seinen Namen hat der Angänger aufgrund der Schmetterlingsform. Auf dem Dach sind 40 Quadratmeter Solarmodule montiert, die ausgeklappt werden können, zusätzlich können weiter 40 Quadratmeter um das Fahrzeug herum aufgestellt werden.
„Du bist ein tolles Vorbild für alle“, lobte Bad Dürrheims Bürgermeister den Umweltaktivisten. Auch die Schüler stellten Fragen: Felix (14), der sich Sorgen um den Klimawandel macht, wollte von Louis Palmer wissen, was er von der Kernkraft hält. „Dass wir hier Temperaturen wie in Spanien haben könnten, ist krass. Aber wenn die ganze Welt mitzieht und jeder Energie spart, könnten wir es hinkriegen, dass der Temperaturanstieg begrenzt bleibt“, meinte der Bad Dürrheimer Schüler.
Laura (15) fand die Beispiele mit dem Algen-Kuhfutter und dem Pulli bemerkenswert und räumte auch ein, dass sie sich Sorgen wegen des Temperaturanstiegs macht. „Ich glaube, dass sich das noch stoppen lässt.“ Die 14-jährige Marina fand die Aussagen von Louis Palmer „sehr interessant“ und würde in den Medien gerne mehr Informationen über Technologien sehen, mit denen das Klima geschont wird.
Chiara (14) fand Louis Palmers Ideen „eine gute Sache“, auch sie glaubt, dass der Temperaturanstieg gestoppt werden kann, „wenn die Menschen darauf hören“. Auch Tessa (15) ist überzeugt, dass es eine Lösung gibt, um den Temperaturanstieg zu stoppen. Für David (11) ist es wichtig, keine Kohle mehr zu verbrennen, Nico (13) ist heute noch mit dem Rad unterwegs, will sich aber später mal ein Motorrad zulegen, wobei er auch einen Wasserstoffantrieb nehmen würde, um das Klima zu schützen.