Stadtnachrichten

Innenentwicklung vor Außenentwicklung


In Bad Dürrheim gab es in der Vergangenheit hin und wieder Konflikte, beispielsweise im Kurgebiet, wenn großzügige Grundstücke mit villenähnlichem Charakter geräumt und mit Mehrfamilienhäusern bebaut wurden oder bebaut werden sollten – Nachverdichtung wird dies in der Planersprache genannt.

In der vom Gemeinderat in einer Sitzung im vergangenen Dezember verabschiedeten Leitlinie zur Innenentwicklung wird auch festgestellt, dass Innenentwicklung „nicht per se zu qualitätsvollen Wohn- und Arbeitsverhältnissen und zu einem wohlgestalteten Siedlungsbild“ führt. Eine qualitätsvolle Innenentwicklung sei nicht gleichzusetzen mit einer baulichen Nachverdichtung, „die unreflektiert und ohne Berücksichtigung der lokalen Situation eine möglichst hohe Dichte anstrebt“.

Aus dieser Formulierung ist schon zu ersehen, welches Ziel der Gemeinderat sich für die künftige Bauentwicklung setzt, er will nämlich, dass die Notwendigkeit des sparsamen Umgangs mit Fläche sorgsam mit anderen Aspekten, wie dem Siedlungsgrün, dem Ortsklima und dem Ortsbild abzuwägen ist. Ausdrücklich heißt es: „Bad Dürrheim besitzt den Anspruch, eine qualitätsvolle Innenentwicklung zu betreiben“.

Bei Bauvorhaben soll deshalb künftig zunächst gefragt werden, welche übergeordneten Überlegungen die Stadt für das betreffende Quartier hat. „Innenentwicklung stärkt das Ortsbild und geht respektvoll mit dem Bestand um“ heißt ein weiterer Leitsatz. Dann soll beurteilt werden, wie sich das Vorhaben in die vorhandene Bau- und Freiraumstruktur, in die nähere Umgebung und in das Quartier einfügt (Fläche, Lage auf dem Grundstück, Kubatur, Höhenentwicklung, Dachform, Zahl und Größe der Wohnungen oder Gewerbeeinheiten).

Schließlich soll bei der Beratung über Bauvorhaben gefragt werden, welche Auswirkungen auf die Nachbarschaft zu erwarten sind (Verschattung, Lärm, Schließung einer Raumkante und wie die Erdgeschosszone gestaltet ist (einladend, abweisend, Fenster, Garage), aber auch welche Auswirkungen auf das Ortsbild zu erwarten sind (positiver Impuls, Vorbildwirkung, Kontinuität, Bruch).

Weitere Kriterien sollen bei der Beurteilung von Neubauten sein, ob prägende Bäume, Hecken und Grünflächen erhalten bleiben, ob das Gebäude energetisch über die gesetzlichen Vorgaben hinaus geht, ob öffentlich zugängliche Grünflächen geschaffen werden, ob Dach- und Fassadenbegrünung vorgesehen sind und in welchem Umfang neuer Wohnraum geschaffen wird.

Ein weiterer Aspekt soll sein, für wen der künftige Wohnraum geschaffen wird – etwa Wohnen im Alter, preisgünstiges Wohnen, gehobenes Wohnen, Wohnen für Starterhaushalte, Wohnen für Familien, barrierearmes und barrierefreies Wohnen, Generationenwohnen, Vereinbarkeit von Wohnen und Arbeiten beispielsweise für medizinisches und Kurpersonal.

Der Gemeinderat und die Ausschüsse können sich bei der Beratung von Bauvorhaben an den neuen Leitlinien orientieren. Das Bild zeigt Stadträte und sachkundige Bürger bei der Beratung einer Bauvoranfrage.

Der Gemeinderat und die Ausschüsse können sich bei der Beratung von Bauvorhaben an den neuen Leitlinien orientieren. Das Bild zeigt Stadträte und sachkundige Bürger bei der Beratung einer Bauvoranfrage.

Auch die Auswirkungen auf den Parkierungsdruck auf öffentlichen Parkplätzen und den Verkehr sollen die Stadträte künftig beurteilen, wobei Sharingangebote oder Doppelnutzung von Parkplätzen, Tiefgaragen und Ladestationen sich positiv auswirken sollen. Selbst die Auswahl der Baustoffe (Holz, Recyclingmaterial, regionale Materialien) soll eine Rolle spielen und die Gesellschaftsform des Bauherrn (Genossenschaften, Baugruppen, innovative Fondsmodelle, Erbpacht).

Die Leitlinien wurden in Zusammenarbeit mit dem Institut für Stadt- und Regionalentwicklung (IfSR) vom Bad Dürrheimer Forum Innenentwicklung erarbeitet. In der Sitzung beschloss der Gemeinderat darüber hinaus ein kommunales Förderprogramm zur Innenentwicklung.

Gefördert wird die dabei in der Gesamtstadt fachliche Beratung und Begleitung bei anstehenden Wohnraumsanierungen durch Architekten und Ingenieure zu 50 Prozent der Kosten bei einer Förderobergrenze von 2.000 Euro pro Einzelfall. Dazu kann die Stadt voraussichtlich teilweise auf ELR-Mittel (Fördersatz: 40%) zurück greifen. Der Gemeinderat beschloss, dafür zukünftig 10.000 Euro jährlich in den Haushalt einzustellen.

Michael Weber vom IfSR berichtete, dass in Bad Dürrheim einschließlich den Ortsteilen die Eigentümer von 103 Baulücken angeschrieben wurden. 29 von ihnen teilten mit, dass sie das Grundstück für ihre Nachkommen bereithalten wollen, sieben sind verkaufsbereit, zwei wollen selbst bauen und sieben wünschten eine Beratung darüber, welche Bebauung zulässig ist.

Zusätzlich wurden die Eigentümer von 62 komplett leerstehenden Gebäuden angeschrieben, hier waren sechs verkaufsbereit, zwei gaben an, dass sie das Gebäude selbst verwenden wollen und zwölf wünschten eine Beratung über die Erhaltungswürdigkeit oder – bei leerstehenden Bauernhöfen – über eine ELR-Fördermöglichkeit. Aktuell gebe es für drei Höfe Anträge über das Landesförderprogramm ELR in Richtung Abbruch/Neubau und Bau von Wohnungen.

Alfred Ruther-Mehlis vom IfSR berichtete, dass sein Büro 50 Bebauungspläne der Stadt überprüft hat, bei zehn habe man Nachbesserungsbedarf festgestellt, etwa weil eine höhere Dichte der Bebauung möglich ist, teilweise um eine zu hohe Dichte zu vermeiden. Die festgesetzten Höhen, GFZ, Nutzungsart und Zahl der Geschosse könnten in diesen Bebauungsplänen geändert werden.

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Redakteur / Urheber
Stadtverwaltung Bad Dürrheim