Rückblick Podiumsdiskussion: Nur mit den Landwirten kann Artenvielflat erhalten werden
Dort diskutierte Thomas Hörren, Mitverfasser der so genannten Krefelder Studie, zusammen mit Staatssekretär Dr. Andre Baumann vom baden-württembergischen Umweltministerium und dem Präsident des badisch-landwirtschaftlichen Hauptverbands Bernhard Bolkart.
Am Ende waren sich alle einig: Insekten- und damit Artenschutz geht nur mit den Landwirten, welche die Grün- und Ackerflächen bewirtschaften und weitere Einschränkungen, etwa bei der Düngung und dem Gebrauch von Pflanzenschutzmitteln, sollten mit finanziellen Ausgleichsmaßnahmen verbunden werden.
Die Podiumsdiskussion zum Thema „Klimaschutz und Artenschutz – zwei Seiten derselben Medaille?“ sehen Sie jetzt auf dem Youtube-Kanal der Stadtverwaltung Bad Dürrheim in einem zusammenfassenden Video oder aber auch in der ausführlichen Version.
Der Biologe Thomas Hörren machte in seinem Vortrag deutlich: Jedes Insekt ist Teil einer Nahrungskette. Viele Raupen, Käfer, Fliegen oder Falter sind auf spezielle Pflanzen angewiesen und verschwinden, wenn auch diese nicht mehr da sind, sie sind ein Rädchen in der ökologischen „Maschine“ Natur. Insekten liefern anderen Tieren Nahrung oder bestäuben unsere Nutzpflanzen.
Thomas Hörren wirkte maßgeblich an der Krefelder Studie mit, die 2017 die Welt aufrüttelte. Dort wurde wissenschaftlich fundiert ermittelt, dass innerhalb der letzten 30 Jahre die Masse der Insekten um 75 Prozent geschrumpft ist. „Dramatische Daten“, wie der Redner in Bad Dürrheim befand. Wie er zeigte, griff sogar die New York Times das Thema auf und schrieb von einem „Insect-Armageddon“. Thomas Hörren verriet dem Publikum: „Wir Forscher wussten schon länger, dass die Insekten weniger werden“. Er beschrieb, wie der wissenschaftliche Nachweis geführt wurde. Dabei griffen die Experten auf Unterlagen des Entomologischen Vereins Krefeld zurück, dessen Mitglieder 30 Jahre lang Insekten gefangen und gewogen haben.
Hörren stellte fest, dass schon 30 Prozent der Arten verschwunden sind. In Deutschland gibt es 34.000 Insektenarten, viele sind nur noch in Schutzgebieten mit einer Restpopulation heimisch. „Wenn wir die auch noch verlieren, gehen uns unwiederbringlich für alle Zukunft Arten verloren, die unsere nachfolgenden Generationen nicht mehr haben und uns deshalb fragen werden: warum habt ihr das nicht verhindert?“ äußerte sich der Insektenforscher.
Erst kürzlich ging eine mit Bundesmitteln geförderte Studie zu Ende, die weitere Belege für den Artenrückgang fand, unter anderem wurde dort auch die Mühlhauser Halde bei Schwenningen untersucht, eine Wacholderheide mit Magerrasen. Hörren verwies auch auf eine Geröllhalde in Todtnau-Präg mit eiszeitlichen Relikten. Dort findet man noch zwei Käferarten, die weltweit nur hier vorkommen. Hörrens Vorschlag, in einem Umkreis von zwei Kilometern rund um Naturschutzgebiete keine Pflanzenschutzmittel mehr zuzulassen, würde auch die Bad Dürrheimer Landwirte einschränken.
Staatssekretär Dr. Andre Baumann erklärte in der Diskussion, er sei froh, „dass unser Ministerpräsident ein Biologe ist“ und sofort die Brisanz der Krefelder Studie einordnen konnte. Die Landesregierung habe Förderprogramme zur Artenvielfalt aufgelegt und als Reaktion auf das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ einen runden Tisch mit den Naturschutz- und Landwirtschaftsverbänden initiiert, der sich letztlich auf ein Gesetz zur Stärkung der biologischen Vielfalt einigte.
In der Folge werde der Pflanzenschutzmittelgebrauch um 30 bis 40 Prozent reduziert, der Anteil des landwirtschaftlichen Bioanbaus soll auf 30 bis 40 Prozent gesteigert werden – entsprechend dem Bedarf. Auch die Schaffung von Biotopverbünden und die Verpflichtung der Kommunen, Schottergärten zu verbieten, sind Teil des Gesetzes.
„Ich bin stolz darauf, dass wir in Baden-Württemberg nicht mehr in Feindbildern denken, sondern miteinander sprechen“, sagte Dr. Andre Baumann im Haus des Gastes zum Verhältnis zwischen Naturschützern und Landwirten.
Doch nur 2,1 Prozent der Landesflächen seien Naturschutzgebiete. „Wir werden die Biodiversität alleine durch die Naturschutzgebiete nicht halten können“, gab Baumann zu bedenken, die Schutzgebiete müssten verknüpft werden „und wir müssen mit den Landwirten Fünfjahresverträge über die Bewirtschaftung schließen und ihnen gute Angebote machen“.
Auf Düngung der Flächen oder gar die Bewirtschaftung durch Landwirte ganz zu verzichten, sei jedoch mit negativen Folgen für die Natur verbunden. „Maßvoll düngen und nur zwei bis drei Mal mähen“, sei wohl das Beste.
Landwirtschaftsmeister Bernhard Bolkart, Präsident des BLHV, nannte den „Strategiedialog Zukunft der Landwirtschaft“ vorbildlich und führte den seiner Meinung nach wegweisenden Wasserpfennig an, der den Landwirten Ausgleichszahlungen für extensive Bewirtschaftung in der Nähe von Quellen bringt. „Naturschutz funktioniert besser, wenn man in einem kooperativen Ansatz die Leute überzeugt, dass das der richtige Weg ist“.
Der Bad Dürrheimer Biolandwirt Christoph Trütken warnte davor: „Beim Artenschutz gibt es Kipppunkte und wenn die überschritten werden, ist das Leben gefährdet“. Man benötige Artenvielfalt auch in den Böden, um Humus zu produzieren. „Wenn uns die Bodenlebewesen absterben, geht uns der CO2-Speicher verloren“, so Trütken.
Landwirtschaftsmeister Bernhard Bolkart sieht den Klima- und Artenschutz als gesamtgesellschaftliche Aufgabe – „was man schnell umsetzen kann ist ein Tempolimit von 120 auf den Autobahnen und ein Verbot von innerdeutschen Flügen.“